Von Chancengerechtigkeit bis mentaler Gesundheit – von Benke

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Hallo, Benke hier.

Hiermit berichte ich über das Treffen am Dienstag am 17.05.2022 des Offenen Bildungsnetzwerks Freiburg 🙂

Aber ich stelle mich am besten erst vor.

 

Ich bin ein Lehramtsstudent mit den Fächern Informatik und Mathematik an der Uni Freiburg, und habe dieses Semester den Kurs Service Learning belegt.

Als ich das Offene Bildungsnetzwerk zwischen der Kooperationspartner*innen gefunden habe, habe ich unbeschreibliche Freude gefühlt, weil ich den Austausch über Bildung und Pädagogik für sehr wichtig halte, und mich dafür sehr interessiere.

So bin ich an jenem Dienstag zu dem Barcamp im Grünhof gekommen.


Wir haben erst eine Vorstellungsrunde gemacht, dann Themen vorgeschlagen, für die wir uns derzeit interessieren, und über die wir gerne diskutieren wollen.

Wir haben anschließend die Beiträge zu zwei größeren Teilen aufgeteilt, und haben angefangen uns auszutauschen.

 

Unser Gespräch war sehr vielfältig, und obwohl ich nicht alles verstanden habe, war es trotzdem sehr spannend!

Außer mir hat auch Philip Notizen gemacht, und auf diese Weise kann ich rekonstruieren, was alles wir besprochen haben.

 

Chancengerechtigkeit, Lernen und Wissen im 21. Jahrhundert und Demokratie

Das erste war ein Austausch über das Schulkonzept, die Chancengerechtigkeit in der Schule, über das Lernen und Wissen im 21. Jahrhundert, und darüber, wie man mehr Demokratie in die Regelschulen bringen könnte.

 

Es wurde diskutiert, wie die Schüler:innen ihre Potenziale frei entfalten könnten, als wichtiges Ziel. Wie hängt dies mit den vier Schulfunktionen von Fend (Qualität, Selektion, Legitimation, Sozialisation) zusammen? Sind die zwei vereinbar?

Eher schwierig.

Nach meiner persönlichen Meinung ist die Theorie über Selektion zum Beispiel äußerst problematisch – es ist ja wichtig, dass die Schüler:innen aus den verschiedensten Herkünften kommen. So erhalten die Schüler:innen ein gegenseitiges soziales Verständnis, siehe Finnland.

 

Wie Schulen die Schüler:innen betrachten, ist auch extrem wichtig.

Die demokratischen Schulen versuchen die freie Entfaltung und Entscheidung als Mikrosystem umzusetzen, somit werden die Schüler:innen als aktive Teilnehmer:innen an dem Prozess und als Menschen betrachtet, die in der Lage sind, freie Entscheidungen zu treffen.

Praktisch bedeutet das z. B.,

  > dass es einen Klassenrat gibt,

  > dass die Schüler die Klassenarbeit selbst konzipieren können,

  > wer frische Luft braucht, darf raus,

  >  dass Selbstwirksamkeit im Unterricht und die SchülerMitVerantwortung (SMV) eine wichtige Rolle spielen,

  > bzw. sie werden ermutigt Rückmeldung zu geben und ihre Ideen zu äußern.

Es wurde erwähnt, dass eine Klasse einmal den Bürgermeister besucht hatte, unter anderem, um ihm ihre Ideen mitzuteilen.

Die Schlüsselfrage für Schüler:innen und Lehrkräfte in diesen Schulen ist:

Wo ist meine Selbstwirksamkeit? Was kann ich bewirken?

Das Wissen darüber trägt dazu bei, im Leben ein besseres Gefühl davon zu haben, wofür ich fähig bin, und worauf ich Einfluss habe. So kann ich auch in der Gesellschaft besser mitwirken, besonders weil wir eine demokratische Gesellschaft sind.

Dementsprechend soll man Studium, Schule (und vielleicht sogar Kindergarten) so gestalten können, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsener ein Bewusstsein für Demokratie erhalten.

 

Wenn ein:e Schüler:in sich langweilt, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder sind die Aufgaben zu leicht oder zu schwierig.

Es ist sehr praktisch identifizieren zu können, um welches es sich handelt, weil die Schüler:innen sehr schnell die Lust verlieren können, wenn die Anforderungen nicht auf ihrem Niveau sind.

Ich habe mich mit einem Lehrer in der Pause unterhalten, der mir davon erzählt hat, dass es in der Oberstufe in den Gemeinschaftsschulen genau so geht, wie es im Hinsicht auf Anforderungen ideal wäre.

Es gibt da drei Gruppen, die den gleichen Stoff auf verschieden Niveaus anbieten.

Es richtet sich nach einer freien Wahl, welche Gruppe man besucht, somit ist es garantiert, dass die Schüler:innen sich entwickeln können.

Außerdem sind kleinere Gruppen persönlicher, somit praktischer als große Klassen.

Es wurde diskutiert, dass eine angepasste Förderung durch vielfältiger Fächer erreicht werden könnte, aber das löst das Problem von großen (und somit unpersönlichen) Klassen nicht.

Es besteht dann nach wie vor die Gefahr, dass die Schüler:innen zu viele Informationen auf einem für sie unangemessenen Niveau erhalten und das Interesse verlieren.

 

Wenn das dann tatsächlich passiert und deshalb der Abschluss etwas verzögert wird, muss man den Kopf nicht verlieren:

Später Abschluss machen sollte kein Problem sein. Dafür muss es aber gesellschaftlich ermöglicht und akzeptiert werden.

Jedes Kind sollte aber die Möglichkeit haben, aus sich das Beste herauszuholen, und weniger Schüler:innen sollen ohne Schulabschlüsse entlassen werden.

Soweit ich es verstanden habe, bedeutet das eher, dass sie Beratung darüber bekommen sollen, welcher Abschluss für sie am geeignetsten ist.

In dem dreigliedrigen Schulsystem hat man zwar die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Abschlüssen zu entscheiden, aber es splittet die Schüler:innengesellschaft – und der Evidenz spricht eindeutig gegen die Wirksamkeit von diesem System.

 

Mentale Gesundheit

Das zweite große Thema, das ich eingebracht habe, war mentale Gesundheit, Gefühlsbewusstsein und generell alles, was uns außer des Fachwissens prägt.

Es ist ein Fakt, dass man viel besser mit Emotionen umgehen kann, wenn man sie ausdrücken kann.

Diese Fähigkeit zu haben ist gar nicht selbstverständlich, vor allem weil die Schüler:innen sehr vielfältige Hintergründe haben. Man darf nicht davon ausgehen, dass es in der Familie beigebracht wird.

 

Darum wäre es erstens sehr vorteilhaft, wenn z. B. im Biologieunterricht eine Anknüpfung daran gemacht würde. Neben Intersexualität (die Geschlechter als eine Skala zu betrachten) und andere wichtige Themen wäre es notwendig über Gefühle und Emotionen zu sprechen.

 

Zweitens braucht man ein Umfeld, wo man auch gerne darüber spricht.

Auch Lehrkräfte müssen deshalb Gefühle vorleben und sagen können, wenn es ihr z. B. gerade nicht gut geht, oder mit der Klasse teilen, wenn sie etwas Positives erlebt haben. Kurz zusammengefasst, es wäre wichtig, dass sie sich als Person zeigen.

Einer der bedeutsamsten Ursachen des Burnouts ist gerade, wenn die Lehrkräfte ihre eigenen Emotionen nicht zeigen können.

Das versucht man im Referendariat zu beseitigen, durch Burnout Prophylaxe. Aber das Instrumentarium der Bewältigungsstrategien (coping strategies), das die Lehrer dadurch erlernen, ist eher bescheiden. Der Referendariat selbst ist auch eine nicht vernachlässigbare Stressquelle, es entsteht viel Druck dazwischen, hauptsächlich durch den Einfluss des Kapitalismus.

 

Stress als Lehrkraft in der Schule zu bewältigen lernt man auch nur kurz vor dem Referendariat, oder maximal im 3–4. Mastersemester, was aber wieder Stress verursacht.

Tragikomisch…

 

Es wurde erwähnt, dass Lehrer eine professionelle Distanz wahren sollten. Einige waren der Meinung, dass dies nicht vom Kind ausgeht (“ich bin professionell und du nicht”), andere sahen es als Selbstschutz, da wir nicht alles von uns zeigen können und sollen, sonst verlieren wir uns in diesem oft sozial sehr anspruchsvollen Beruf.

Ich kann beide Seiten verstehen, und bin der Meinung, dass man das eigene Leben eindeutig vom Berufsleben trennen muss, wenn es notwendig ist, aber sonst ist es unnötig und schadet mehr als es nützt.

 

Direkt dazu:

In Baden-Württemberg gibt es die Möglichkeit, als Beratungslehrer:in zu arbeitenAber Beratungsangebote werden nicht immer benutzt, und wenn es welche gibt, sind sie oft stigmatisiert. Es wäre aber ungeheuer wichtig, dass man diese Art von Arbeit fördert, da die Schüler:innen gerade in der Phase sind, wo sie sich am meisten verwandeln, und in der sie am meisten Unterstützung brauchen.

(Ich bin auch nicht so lange her aus der Schule gekommen, und spreche aus meiner eigenen Erfahrung.)

Das Ziel muss sein, dass junge Schüler:innen gerne zur Beratung gehen, und dass es für sie ein positives Erlebnis ist, nur dann ist es wirklich wirksam.

In diesem Bereich gibt es wirklich noch einiges zu tun.

Für die älteren Schüler:innen könnte man mehr Angebote machen, z. B. Workshops.

Die Schulpsychologin bzw. Schulpsychologe könnte auch schon früher anfangen, eine Beziehung mit den Schüler:innen zu gestalten, häufiger Programme und andere Angebote machen, sie “begleiten”, mehr Kontakt zu ihnen haben.

 

Ein Beispiel für professionelle Distanz ist die Supervision.

Es ist ein “geschützter Raum” um Konflikte zu erleben und behandeln zu können, auch innere Konflikten. Es handelt sich immer um eine externe Person, die Gesprächsangebote für Teams bietet. Staatliche Schulen müssen es beantragen, um es zu bekommen.

Durch dieses Angebot kann man Probleme besser vorbeugen und Konfliktmanagement im Alltag auch leichter machen. In den Kollegien gibt es oft eine sehr ausgereifte Konfliktkultur.

Dadurch, dass man mehr darauf achtet, wie man miteinander spricht, wird die Atmosphäre dementsprechend besser. Ein gutes Beispiel für achtsame Kommunikation ist z. B. die Verwendung von Ich-Botschaften.

 

Damit bin ich durch mit dem Erzählen über diesen wunderbaren Anlass.

Ich bin mir ganz sicher, dass alle, die dort waren, mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen sind und das nächste Treffen am 12.07.2022 im Grünhof kaum erwarten konnten.

 


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